Die Welt hat den Atem angehalten. Jetzt muss sie das Atmen wieder neu erlernen, wie es scheint. Die vergangenen Monate – mittlerweile Jahre (!) – haben uns erneut vor Augen geführt, wie verwundbar und gleichzeitig abhängig voneinander wir stets sind. Alles hängt eben mit allem zusammen. Untermauert auch der Philosoph Markus Gabriel, zu finden etwa in meinem aktuellen Buch Mehr Nichts!: „Nach der virologischen Pandemie brauchen wir nun eine metaphysische Pan-Demie, eine Versammlung aller Völker unter dem uns alle umfassenden Dach des Himmels, dem wir niemals entrinnen werden.“
Und so haben wir das Programm unseres Kongresses ganz der Frage gewidmet, wie aus dem Kleinen, aus dem individuellen Selbstbezug, auch einer Praxis von Meditation und Achtsamkeit, schließlich transformative Prozesse im Großen angeschoben und begleitet, ja sogar initiiert werden können: am Arbeitsplatz, in Kultur und Gesellschaft, selbst in „planetaren“ Zusammenhängen.
Was braucht es nun? Was ist überhaupt eine Transformation? Und welche ethischen, moralischen, sozialen, aber genauso therapeutischen und medizinischen Aspekte – oder Konsequenzen – wären zu beachten? In unserer Kongress-Dokumentation geben die Beitragenden unseres Kongresses 2022 erste Antworten.
Lassen Sie sich inspirieren!
Univ.-Prof. Dr. med. Tobias Esch
Vorsitzender des Wissenschaftlichen Kuratoriums des Kongresses Meditation & Wissenschaft
Dr. Ulrich Freiesleben, Identity Foundation
Dr. Cai Werntgen, Udo Keller Stiftung Forum Humanum
Wie aus Meditation wirkliche Resilienz wird
In den vergangenen 20 Jahren haben Meditation und Achtsamkeit erst in der Medizin und inzwischen auch in weiteren Teilen der Gesellschaft eine Welle der Popularisierung erfahren. In der Behandlung von Depressionen wirkt das Meditieren bei manchen Patienten ebenso gut wie eine Medikation. Und als konventionelle Therapien begleitendes Angebot kann Achtsamkeit die Psyche von Erkrankten wesentlich stärken. In einer Repräsentativbefragung anlässlich des Kongresses Meditation & Wissenschaft 2016 bekundete ein Viertel aller Deutschen, sich für Meditation zu interessieren. Womöglich sind es seitdem mehr geworden, denn gerade auf dem Höhepunkt der Pandemie verging kaum eine Woche, in der die Medien nicht darauf verwiesen, wie Achtsamkeit in Krisenzeiten die Resilienz zu verbessern vermag. Die nun häufiger werdenden Studien zu den psychosozialen Folgen der Corona-Krise zeigen aber auch, dass es so einfach vielleicht doch nicht ist. Und dass »mal eben ein bisschen meditieren« zwar zu momentanem Wohlbefinden führen kann, aber vielleicht eher ein Trostpflaster ist denn ein wirklicher Change Maker.
Der Mediziner und Gesundheitsforscher Tobias Esch etwa spannt den Bogen sehr weit, wenn er die gegenwärtige soziokulturelle Situation betrachtet: »Unsere Gesellschaft steckt in einer Krise von Überangebot und Beschleunigung. Nach Corona wird dieses sinnentleerte Streben nach Mehr nun kollektiv infrage gestellt: Wir müssen von haltlosem Konsum und (Selbst-)Ausbeutung wegkommen, zurückfinden zur Reduktion auf eine befreiende ›Leere‹. Im Mittelpunkt der Debatte steht die Medizin. Analoge Befunde – das Paradoxon von beobachtbarem Mehr und benötigtem Weniger – finden sich jedoch in wesentlichen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens: in Glauben und Achtsamkeit, Politik, Klima, Ökologie und Ökonomie.«
Buch-Tipp: Mehr Nichts! Warum wir weniger vom Mehr brauchen von Tobias Esch
Dr. Alexander Poraj
Zen-Meister, Mitglied der spirituellen Leitung des Benediktushofes, Vorstand West-Östliche Weisheit Willigis Jäger Stiftung, Holzkirchen
Warum individuelle Transformation zu kurz greift
Geraume Zeit wurde Achtsamkeit vor allem als eine Methode des persönlichen Wachstums betrachtet. Nach dem Motto: Wer meditiert, tut sich selbst etwas Gutes, wird womöglich sogar leistungsfähiger und resilienter. Wo eine solche Betrachtung in therapeutischen Kontexten bei der Behandlung einzelner Patienten noch Sinn machen mag, greift sie jedoch im Hinblick auf die Tatsache, dass wir soziale Wesen in größeren gesellschaftlichen Kontexten sind, zu kurz. Je größer der Achtsamkeits-Hype beispielsweise im Business wurde, umso lauter wurden auch die Stimmen, die davor warnen, dass der Einzelne systemische Zwänge nicht einfach wegmeditieren kann. Womöglich müssen Arbeitende gar nicht stressresistenter werden, sondern die Arbeitswelt schlicht wieder menschlicher? Es ist ein Perspektivwechsel, der auch im Hinblick auf die großen gesellschaftlichen Fragen und Meta-Krisen unserer Zeit immer offensichtlicher wird.
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Der Mediziner und Nachhaltigkeitsexperte Stefan Brunnhuber etwa weist darauf hin, wie wesentlich das »Eingebettet-Sein in einen größeren – planetarischen und spirituellen – Gesamtzusammenhang« ist. Als Mitglied des Club of Rome und der Lancet Covid-19-Commission »Green Recovery« tritt er dafür ein, Spiritualität und gesellschaftlichen Wandel zusammen zu denken: »Eine einseitige Ausrichtung auf unser personales Bewusstsein im Transformationsprozess, sei es noch so kritisch und integral, birgt die Gefahr, dass wir die Last der Transformation auf den Einzelnen verlegen. Es ist dann der Einzelne, der mit seinen Lebensstil-Modifikationen die anstehende Veränderung stemmen muss. Zudem entpolitisiert eine einseitige Ausrichtung auf das personale Bewusstsein den Transformationsprozess. Transformation wird dann singularisiert und vereinzelt.« Im Zusammenspiel von Wissenschaft und Mystik sieht er einen wesentlichen Beitrag sowohl für unser gesellschaftliches Zusammenleben als auch für die persönliche Individuation.
Dr. Jacob Schmidt
Kollegiat des Graduiertenkollegs „Modell Romantik“ an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Mitarbeiter Bündnis 90/Die Grünen im Brandenburger Landtag
Der Aufschwung der »Achtsamkeit« in den letzten 50 Jahren wurde getragen von blühenden Verheißungen – und begleitet von beißender Kritik. Diese Spannung begründet sich, so meine These, in den Selbst- und Welt-Bildern der Achtsamkeit, die zwischen einer Selbstermächtigung des überforderten spätmodernen Individuums und einer politischen Sprachlosigkeit changieren. Vorrangig am Beispiel des populären Protagonisten der Achtsamkeit, Jon Kabat-Zinn, werde ich diese Perspektive im Vortrag entfalten.
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Prof. Dr. Myriam N. Bechtoldt
Diplom-Psychologin, Professorin für Leadership, EBS Universität für Wirtschaft und Recht, Oestrich-Winkel
Die Covid-Pandemie hat in beispielloser Weise zu einem temporären Verlust persönlicher Freiheit geführt. Wir haben während des ersten Lockdowns 93 Personen mehrfach befragt, wie sie mit dieser Belastung zurechtgekommen sind. Zentrales Ergebnis ist, dass Personen mit höherer Ausprägung in dispositioneller Achtsamkeit die Krise besser bewältigt haben. Sie berichteten über höheres Wohlbefinden und konnten der Krise signifikant mehr positive Aspekte abgewinnen als Personen mit niedriger Ausprägung in dispositioneller Achtsamkeit. Außerdem dachten sie häufiger über mögliche Problemlösungen nach, reflektierten ihre emotionalen Reaktionen und neigten weniger zu Konfliktvermeidung oder dazu, anderen Vorwürfe zu machen. Gesellschaftliche Krisen entstehen jedoch nicht allein durch exogene Schocks wie einen Virus; Skandale wie um Wirecard zeigen, dass auch die Selbstbereicherung einzelner gesamtgesellschaftlichen Schaden verursachen kann. In einem Laborexperiment mit 395 Teilnehmern analysierten wir deshalb, ob Achtsamkeit auch bei der Krisen-Prävention hilft, indem sie moralisches Handeln unterstützt. Im Anschluss an eine 10-minütige Meditation erhielten die Teilnehmer bei einer Gruppenaufgabe die Möglichkeit zu betrügen, um ihren Gewinn zu erhöhen. Neben dem Einfluss der gemessenen dispositionellen Gerechtigkeitssensibilität verringerte sich bei allen Personen die Tendenz zu betrügen in Abhängigkeit von ihrer momentanen Achtsamkeit: je höher die Achtsamkeit, umso niedriger die Tendenz zu betrügen. Die Ergebnisse zeigen, dass Achtsamkeit auch moralisches Handeln unterstützt.
Prof. Dr. Dr. Stefan Brunnhuber
Chefarzt und ärztlicher Direktor am Fachkrankenhaus Zschadraß der Diakonie Kliniken Zschadraß, Mitglied der Lancet COVID-19 Commission „Green Recovery“
Religiöse Überzeugungen und ihre Auswirkungen auf Gesellschaft und Wissenschaft gehören zu den am meisten übersehenen Themen der Neuzeit. Der gegenwärtige inter-religiöse Dialog wird dominiert von historischen Analysen, theologischen Interpretationen von Texten (Exegese) und Streitigkeiten über die institutionellen und organisatorischen Strukturen über Kompetenzen, Macht, Einfluss und Hierarchie. Der gemeinsame Nenner des Glaubens ergibt sich jedoch nicht nur aus dem rationalen diskursiven Dialog der Textinterpretation (wie der Bibel oder anderen heiligen Büchern), noch aus Streitigkeiten über organisatorische und institutionelle Aspekte. Der gemeinsame Nenner findet sich auch nicht im humanitären Engagement, da alle Religionen dies mit den meisten säkularen NGOs teilen. Es ist vielmehr die jeweilige mystische Tradition, die die Differentia Specifica jeder Weltreligion bestimmt. Empirische Befunde (unter anderem Fasten, Mantras, Achtsamkeit und Überwindung von Ich-Zuständen) aus den Bereichen Neurobiologie, Entwicklungspsychologie und Medizin stützen die These, dass Mystik und Wissenschaft zusammen gehen können und so einen wesentlichen Beitrag sowohl für unser gesellschaftliches Zusammenleben als auch für die persönlichen Individuation leisten können.
Meditation ist aus individueller Sicht ein erster Schritt, zu mehr Präsenz im größeren Ganzen zu kommen und dem, was ist, wirklich zu begegnen. Es geht um Wagnisse - und vielleicht sogar um Verzicht. Und darum, neue Wege zwischen Selbstermächtigung und politischer Sprachlosigkeit zu beschreiten. Denn unsere Zukunft entsteht vor allem dort, wo es gemeinsam gelingt, Zwischenräume zu eröffnen, in denen Neues keimen kann, womöglich auch ein besseres Morgen.
Mit Achtsamkeit über das getrennte Selbst hinauswachsen
Lange Zeit lag der Fokus der Meditationsforschung vor allem darauf, Methoden der Innenschau im Hinblick auf ihre stressreduzierende Wirkung zu betrachten. Für viele Menschen ist heute das Sitzen in der Stille ein wunderbarer Weg, einmal richtig abzuschalten und sich aus dem Trubel des Tagesgeschäfts in sich selbst zurückzuziehen. Dabei gerät leicht aus dem Blick, dass wir in einer Kultur, die so stark auf individualistische Bestrebungen baut wie unsere, eigentlich auch mehr Miteinander gut vertragen könnten. Die meisten drängenden Fragen unserer Zeit mögen uns zwar in unserem persönlichen Leben betreffen, doch liegen ihre Ursachen - und erst recht ihre Lösungen - in einem komplexen Beziehungsgeflecht. Wie gehen wir miteinander um? Welche Beziehungen pflegen wir zu unserer lebendigen Mitwelt? Wie gestalten wir unsere sozialen und gesellschaftlichen Systeme? Fragen wie diese lassen erahnen, wie schmal der Grat ist zwischen einer regenerierenden Stille und einem Rückzug ins Private, der das Selbst isoliert. Wie kann Achtsamkeit hier neue Verbindungen schaffen?
mit Interviews mit Liane Stephan und Gert Scobel sowie weiteren spannenden Impulsen ausgewählter Beitragender des Kongresses hier zum kostenlosen Download
Anne Böckler-Raettig, Professorin am Institut für Psychologie der Universität Hannover, hat die unterschiedlichen Wirkungen verschiedener Meditationsformen untersucht und dabei festgestellt, dass die Fokussierung auf den Atem, die die Konzentration und Aufmerksamkeit stärkt, in Verbindung mit weiteren Perspektiven einen wesentlichen Beitrag zu unserer Beziehungsfähigkeit leisten kann: "Die Loving Kindness-Meditation beispielsweise ist eine Möglichkeit, Akzeptanz und Wohlwollen für uns selbst und für unsere Mit-Lebewesen zu kultivieren, indem die Empfindung liebevoller Güte bewusst hervorgerufen und wahrgenommen wird (z.B. durch innerlich gesprochene Mantras wie 'Mögest Du glücklich sein'). Gerade die gezielte meditations-basierte Förderung von Mitgefühl kommt unserem sozialen Miteinander zugute. Denn Verständnis und grundsätzliches Wohlwollen gegenüber unseren Mit-Lebewesen erhöhen unsere Bereitschaft, diesen großzügig, hilfsbereit und kooperativ zu begegnen."
Dr. med. Dr. phil. Friederike Boissevain
Hämato-Onkologin, Palliativmedizinerin, Geschäftsführerin Hospiz im Wohld gGmbH, Soto-Zen-Priesterin
Unsere Erfahrungswelt wird durch all das erschaffen, worauf wir unsere Aufmerksamkeit richten. Diese wird durch das gelenkt, was ich für mich selbst gerne möchte oder nicht. Das ist verständlich und keinesfalls verwerflich. Nur kann diese Haltung auch eines hervorbringen: Wir werden (mehr) leiden. Meditation wird dieses Dilemma nicht lösen. Aber sie vermag es, uns erfahren zu lassen, wie es sein kann, dem Fluss des Lebens vertrauensvoll zu folgen, wobei unser Ich gelegentlich am Ufer zurückbleibt. Hiermit bietet sie uns eine heilsame wie dringliche Alternative an: so zu leben, wie ich es mir von tiefstem Herzen wünsche – für mich und für alle, die mit mir sind.
Dr. sc. hum. Corina Aguilar-Raab
Institut für Medizinische Psychologie, Universitätsklinikum Heidelberg, SEE Learning Deutschland und Österreich
Wie ist es möglich, dass Menschen im Einklang mit ihren Werten handeln, in Kontakt mit sich und in Begegnung mit anderen sind und die Komplexität sowie Vielfalt des Lebens auf verschiedenen Ebenen in Betracht ziehen, wenn es darum geht, abzuwägen, Entscheidungen zu treffen, Schaden zu begrenzen und kreativ Potentiale zur Entfaltung zu bringen? Das SEE Learning Bildungsprogramm adressiert in seinem Rahmenkonzept soziale, emotionale und ethische Aspekte der Persönlichkeitsentwicklung. Es begleitet Menschen unterschiedlicher Altersstufen darin, Gewahrsein, Mitgefühl und Engagement zu kultivieren. Tragende Säule ist die mitgefühlsbasierte Ethik, die auf menschlichen, kulturübergreifenden Werten beruht. Die Schulung von Herz und Verstand - bei der es um erfahrungsbasiertes Lernen geht - kann dazu beitragen, nachhaltige Gestaltungsprozesse in sozialen, ökologischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Bereichen anzustoßen, die wichtiger sind denn je! Der Vortrag bietet einen Überblick und ersten Einstieg in das Rahmenkonzept und in wichtige Grundaspekte des SEE Learning Programms, welches am Center for Contemplative Science and Compassion-based Ethics, CCSCBE, der Emory Universität, USA, entwickelt wurde. Dr. Corina Aguilar-Raab vertritt das SEE Learning Programm im deutschsprachigen Raum zusammen mit Silvia Wiesmann (SEE Learning Schweiz), im Namen des Tibethaus Deutschland e.V.
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Prof. Dr. Anne Böckler-Raettig
Institut für Psychologie, Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover
In einer zunehmend vernetzten und bevölkerten Welt sind alle auf Hilfsbereitschaft und Kooperation angewiesen. Aber kann man solch prosoziales Verhalten gezielt fördern? In einer großangelegten Längsschnittstudie haben wir den Einfluss spezifischer meditations-basierter Trainings auf verschiedene Facetten von sozialem Verstehen (Empathie, Perspektivübernahme) und Prosozialität untersucht. Unsere Ergebnisse zeigen, dass sich besonders das Training von sozialem Affekt, beispielsweise Mitgefühl, positiv auf altruistisch motiviertes Verhalten auswirkt.
Es wird immer offensichtlicher, dass die kulturelle Transformation, die viele herbeisehnen, ein Prozess ist, in den wir hineinwachsen können. Womöglich müssen wir wieder lernen zu erkennen, was wirklich wesentlich ist - jenseits funktionaler Reflexe, die dem gewohnten Nützlichkeitsdenken folgen. Neue Programme für den Schulunterricht etwa erleichtern es der jüngeren Generation, auf natürliche Weise soziale, emotionale und ethische Kompetenzen zu entfalten. Studien mit Langzeitmeditierenden illustrieren, wie eine kontinuierliche Übung von Achtsamkeit in der Tiefe auf unser Menschsein wirkt. MBSR-Kurse erleichtern vielen Menschen einen unkomplizierten Einstieg in die Praxis. Eine Annäherung an die spirituellen Traditionen der Weltkulturen kann diesen Horizont weiten und mit dem umfassenderen Veränderungspotential von Meditation in Berührung bringen. Neugier und Nichtwissen als Qualitäten des meditativen Loslassens sind immer ein Wagnis, doch eröffnen sie womöglich auch eine gänzlich neue Lebenskunst.
Was bringt Achtsamkeit im Business?
In Balance bleiben im Home Office zwischen Zoom-Konferenzen und Kinderbetreuung? Nicht die Nerven verlieren in Wochen des Lockdowns? In der Pandemie wurde Achtsamkeit von vielen Medien geradezu als Geheimwaffe gepriesen. Und auch immer mehr Unternehmen springen auf diesen Zug auf, denn das Versprechen von konzentrierteren, kreativeren und dabei auch noch gesünderen Beschäftigten ist einfach zu verführerisch. Aber wie tragfähig ist dieser Hype wirklich? Dass Meditieren in Business-Kontexten bedeutsam ist, würden sicherlich viele Arbeitgeber unterschreiben. Denn die Forschung zeigt ja, dass Menschen mit einer gewissen Übungspraxis konzentrierter sind, sich weniger ablenken lassen und auch oft gesünder sind, weil sie nicht so leicht negativ auf Stress reagieren. Hier liegt allerdings auch eine Gefahr, denn diese Wirkungen verleiten leicht dazu, Achtsamkeit funktionalisieren zu wollen. Dann führt ein Unternehmen vielleicht lieber Meditationskurse ein anstatt sich so zu strukturieren, dass die Beschäftigten möglichst gar nicht erst ausgelaugt werden.
Dr. rer. oek. Maren M. Michaelsen
Fakultät für Gesundheit, Institut für Integrative Gesundheitsversorgung und Gesundheitsförderung, Universität Witten/Herdecke
Digitale Achtsamkeitsangebote per App oder Online-Seminar nehmen rasant zu. Viele Formate wurden in wissenschaftlichen Studien mit unterschiedlichen Zielgruppen wie verschiedenen Berufsgruppen oder Patient:innen getestet und zeigen deutliche Wirkungen auf psychische, physische und physiologische Parameter. Was macht digitale Angebote besonders wirksam, und wo liegen ihre Tücken?
Chris Tamdjidi
Co-Geschäftsführer und Co-Gründer der awaris GmbH
Das neue Arbeiten erfordert neue Fähigkeiten. Aber vor allem wenn der Stresspegel hoch ist, sind wir oft nicht in der Lage, wirklich frisch zu sehen, anders zu denken oder bewusst zu handeln. Aber alle diese drei Aspekte sind erforderlich, um unser Gehirn und Verhalten wirklich nachhaltig zu verändern. Achtsamkeit und Resilienz zu kultivieren, führt zu messbaren Reduzierungen bei Stress und zu Verbesserungen in mentaler Agilität, Offenheit für Veränderung und im Hinblick auf gesundes Verhalten. Das Antrainieren eines neuen bewussten Verhaltens und eine gesunde Balance zwischen Anspannung und Entspannung sind somit die notwendige und realistische Basis für Veränderung.
Ein Spannungsfeld, in dem sich Meditation im Business bewegt, ist sicherlich die Verführung, Achtsamkeit als Wundermittel zu betrachten. Interessant wird es, wenn in Firmen nicht einfach nur Achtsamkeit unterrichtet wird, sondern man diese Methoden mit ganz konkreten Arbeitskontexten, beispielsweise Kommunikation und Führung, verbindet. Das gibt Teilnehmenden die Möglichkeit, nach einem solchen Kurs nicht einfach das, was sie schon zuvor getan haben, ein bisschen effizienter zu machen. Sie können in der gemeinsamen Reflektion auch nach neuen Wegen suchen, ihr Führungsverhalten zu verändern, vielleicht sogar anders auf die Unternehmensausrichtung insgesamt einzuwirken. Wie weitreichend das sein kann, lässt sich natürlich nicht sagen. Aber es sind Schritte in Richtung von mehr Entfaltung über bereits gegebene Rahmenbedingungen hinaus.
Dr. C. Otto Scharmer
Senior Lecturer am Massachusetts Institute of Technology (MIT) und Mitbegründer des Presencing Institute
Unsere Lebens- und Arbeitswelten sind von Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität geprägt. Und aus den Erfahrungen von gestern können wir nur bedingt für morgen lernen. Zukunftsfähigkeit zu entwickeln bedeutet heute insbesondere, den Schritt vom Ego-System zum Eco-System zu vollziehen, zu lernen, wie wir zu gemeinsamen Absichten finden und diese ko-kreativ in die Welt bringen. Es geht darum, neue Fähigkeiten der Wahrnehmung zu kultivieren und diese gemeinsam zu erproben. Im bewussten Nichtwissen, wertschätzendem und schöpferischem Zuhören sowie durch die Kraft von Präsenz und Stille kann uns die Zukunft als Möglichkeit entgegenkommen. Achtsamkeit ist dabei eine wesentliche Grundlage für diese Gestaltungsprozesse.
In Otto Scharmers in der Business-Welt sehr verbreitete Presencing spielt Achtsamkeit als Fähigkeit loszulassen, sich offen und unvoreingenommen gemeinsam in neue Lösungen hineinzubewegen, eine wesentliche Rolle. Auch Presencing steht in dieser Spannung zum Wunsch nach Lösungen, denn es lebt ja gerade davon, sich von allen Erwartungen frei zu machen. Das ist ein ganz grundsätzliches Spannungsfeld unserer Gegenwartskultur. Wir sind es gewohnt, komplexe Zusammenhänge sehr linear zu sehen. Hier ist ein Problem, wo ist die Lösung dafür? Im Business wird viel davon gesprochen, dass wir mehr Agilität brauchen und Emergenz die Antwort auf Komplexität ist. Viele machen sich aber gar nicht bewusst, was Emergenz wirklich bedeutet, nämlich letztlich das Loslassen aller Gewissheiten! Diese Fähigkeit wirklich zu kultivieren, braucht einiges, vor allem auch Zeit.
Warum wir mehr freien Raum im Denken und Handeln brauchen
Wir leben in einer Zeit der Polarisierungen. Betrachtet man die verhärteten Fronten im Umgang mit der Pandemie oder auch die divergierenden Meinungen zur Bewältigung der Klimakrise, wird deutlich: Die Zahl der unterschiedlichen Perspektiven scheint so groß zu sein wie die Ratlosigkeit, die sich hinter vielen markanten Statements verbirgt. Wo viele wissenschaftliche Befunde sich widersprechen und die Probleme, mit denen wir konfrontiert sind, sich allein rationalen Erwägungen zu entziehen scheinen, braucht es vielleicht weitere Dimensionen der Reflektion. Für den Philosophen und Moderator Gert Scobel steht hier die Frage nach Weisheit im Raum. Er sagt: »Ich glaube, Weisheit hat nichts zu tun mit Problemen, die sich mathematisch-naturwissenschaftlich lösen lassen, sondern sie bezieht sich auf Probleme, die meine Lebensführung, meine Lebensgestaltung und das Leben anderer Menschen betreffen. Es geht also um Probleme, die in Systemen auftreten, die sehr viele unterschiedliche Aspekte, Elemente und Faktoren haben, die miteinander wechselwirken. Weisheit hat entscheidend mit der Schwierigkeit zu tun, in einer komplexen Wirklichkeit gut und gemeinsam zu leben.«
Prof. Gert Scobel
Professor für Philosophie und Interdisziplinarität, Hochschule Bonn-Rhein-Sieg sowie Redaktionsleiter scobel, 3sat
Weisheit spielt, ebenso wie Barmherzigkeit, eine gleichberechtigte und zentrale Rolle in den maßgeblichen Texten der buddhistischen Tradition. Während Weisheit mit der Bewältigung existentiell problematischer Situationen in einer komplexen Wirklichkeit zu tun hat, die es nachhaltig zu bewältigen gilt, ist Barmherzigkeit eine auf Gemeinschaft, Freundlichkeit und Hilfe ausgelegte Praxis, die dadurch, dass sie Weisheit in Wirklichkeit übersetzt, zu deren Transformation beiträgt. Eine der Thesen meines Vortrages ist, dass sich aus der Perspektive gegenwärtiger Forschung und Problemlagen die Jahrtausende alten Konzepte „Weisheit“ und „Barmherzigkeit“ (prajna und karuna) in moderne Denk- und Handlungsmuster übersetzen lassen, die sowohl den Anforderungen der Gegenwart wie den Maßstäben heutiger Empirie und Wissenschaften gerecht werden. Darüber hinaus lässt sich zeigen, dass das, was „Weisheit“ genannt wird, nicht nur im Buddhismus mit unterschiedlichen Formen der „Kultivierung von Bewusstsein“ verbunden ist. Wird ein „Weisheitsbewusstsein“ entwickelt, so lässt sich Weisheit über kontinuierliche Übung und eine „Praxis der radikalen Mitte“ im Alltag realisieren. Auf diese Weise ist Weisheit bereits Teil der Transformation, derer wir so dringend bedürfen, um drängende Probleme unserer Zeit zu lösen.
Prof. Dr. Stefan Schmidt
Stiftungsprofessur für Systemische Familientherapie, Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universitätsklinikum Freiburg
Die Meditations- und Achtsamkeitsübungen werden immer kürzer, schon wenige Sekunden täglich sollen genügen. Wie sieht es aber wirklich mit langfristigen Effekten aus und was weiß man über Menschen, die eine jahrelange Praxis pflegen? In seinem Vortrag thematisiert Stefan Schmidt Studien zur Demenzprävention durch Meditation, zu besonderen Bewusstseinszuständen bei Langzeitmeditierenden und zeigt, dass Expert*innen in Meditation durch einen stabilen introspektiven Zugang zu ihrer Innenwelt der Forschung neue Einsichten bieten können.
Womöglich versuchen wir in der heutigen Zeit zu schnell und leichtfertig, mit dem Brustton der Überzeugung die nächste Lösung zu proklamieren. Vielleicht sollten wir zuerst einmal darüber sprechen, wie wir gemeinsam zu neuen Prozessen der Verständigung kommen. Gert Scobel spricht beispielsweise davon, die »radikale Mitte« aufzusuchen und zu beleben als einen Ort, der zwischen verschiedenen Polen und Positionen einen Raum freilegt, in dem man einander begegnen kann. Eine solche Praxis könnte zu einem wesentlichen Moment von Transformation werden.
Prof. em. Dr. Michael von Brück
Interfakultärer Studiengang Religionswissenschaft, Ludwig-Maximilians-Universität München
Meditation intensiviert die Wahrnehmung, so dass Zusammenhänge und wechselseitige Abhängigkeiten erlebbar werden, Kreativität gefördert und der Mut zur Transformation in der Lebenspraxis gestärkt wird. Dies ist Voraussetzung für die Entdeckung von Qualität im sinnlichen Erleben, im mentalen Spiel und in der Gestaltung des Alltags, individuell wie in kollektiven Bezügen. Eine erfüllte Lebenskunst findet das Maß zwischen Wagnis und Verzicht: Im Wagnis steckt Grenzüberschreitung, auch Risiko. Wagnis ist immer auch Abenteuer, es bedeutet, gegen den Strom zu schwimmen und alte Gewohnheiten des Denkens, Fühlens, Bewertens und Lebens abzustreifen. Verzicht kann eine kluge Selbstbeschränkung sein und einen Gewinn an Lebensqualität bedeuten, wenn dadurch intensivere Konzentration möglich wird. Gibt es eine Pädagogik solcher Lebenskunst? Kann Meditationspraxis ein Schlüssel für dieselbe sein? Wird eine Pädagogik der Meditation Grundlagen schaffen, damit moderne Industriegesellschaften den Qualitätssprung in eine nachhaltige Lebensweise erreichen?
Prof. Dr. Hartmut Rosa
Professor für Allgemeine und Theoretische Soziologie, Friedrich-Schiller-Universität Jena, Direktor des Max-Weber-Kollegs in Erfurt
Die moderne Gesellschaft zielt ihrer institutionellen wie ihrer kulturellen Verfassung nach auf eine Steigerung und Ausweitung der Horizonte des Verfügbaren, das heißt des Wissbaren, Erreichbaren, Beherrschbaren, Nutzbaren und Kontrollierbaren. Sie ist strukturell auf eine derartige Form der Weltbeziehung angewiesen, deren motivationale Energie und Antriebskraft sie aus den kulturellen Idealen der Autonomie und der Souveränität bezieht. Diese strukturelle und kulturelle Formation führt aber zu einem ‚aggressiven‘ Weltverhältnis, das sein Versprechen nicht einlöst: Die in immer stärkerem Maße verfügbar gemachte Welt erweist sich am Ende gerade nicht als ‚domestiziert‘, sondern als bedroht und bedrohlich zugleich, und die Subjekte erfahren sich ihr gegenüber weniger als allmächtig denn als ohnmächtig. Der Vortrag untersucht demgegenüber die Möglichkeit, die Form und die Grenzen eines alternativen Weltverhältnisses, das sich als eine ‚mediopassive‘ Weltbeziehung beschreiben lässt. Diese sucht die Erfahrung von Lebendigkeit und von Selbstwirksamkeit gerade nicht in den Formen der Beherrschung und Kontrolle, sondern in einer Verbindung, welche die prinzipielle Unverfügbarkeit des Gegenübers als konstitutiv für gelingendes Leben und als Ausgangspunkt für die Entstehung des Neuen begreift. Mediopassiv meint dabei eine Welthaltung, die sich zwischen aktiv und passiv bewegt, in der sich das Subjekt nicht als Täter oder als Opfer, sondern als rezipierender und kontribuierender Beteiligter eines Geschehens begreift. Sie ist damit ebenso sehr mediopassiv wie medioaktiv. Meditation könnte dann eine Praxis sein, welche die Realisierung eines solchen mediopassiven Weltverhältnisses einzuüben versucht.
Meditation vermag die Vorstellungen von dem, was wir sind, tiefgreifend zu verändern. Doch führen die mit ihr verbundenen Prozesse der inneren Wandlung nicht automatisch auch zu mehr zwischenmenschlicher Beziehungsfähigkeit. Der Soziologe Hartmut Rosa etwa hat wiederholt darauf hingewiesen, dass Achtsamkeit auch neue Formen der Selbstbezogenheit hervorbringen kann. Das, was spirituelle Traditionen beispielsweise Leere nennen, Hartmut Rosa spricht von der »prinzipiellen Unverfügbarkeit«, kann als »konstitutiv für gelingendes Leben und als Ausgangspunkt für die Entstehung des Neuen« betrachtet werden. Wir müssen niemand besonderes sein oder gar versuchen, das Leben zu kontrollieren. Vielleicht besteht unsere menschliche Souveränität gerade darin, im Loslassen uns viel freier auf alles beziehen zu können, was uns anfragt.
An der Schwelle zu nachhaltiger kultureller Transformation?
Wie viel Meditation zu bewirken vermag in einer Zeit, in der die Welt mehr und mehr aus den Fugen gerät, haben wir während der Pandemie erfahren. Verschiedene Studien zeigen, dass Menschen, die sich in Achtsamkeit üben, den Herausforderungen der vergangenen zwei Jahre resilienter begegnen konnten. Nun, am Übergang in eine neue Zeit, stehen wir gesellschaftlich auch vor der Frage, wie wir unser Zusammenleben so gestalten können, dass brüchig gewordene Beziehungen wieder heilen und das soziale Miteinander gestärkt wird. Gleichzeitig deutet unsere ökonomische und ökologische Situation darauf, dass wir wach und bewusst zu nachhaltigeren Lebensformen finden sollten, wenn wir als Spezies Bestand haben wollen auf diesem Planeten. Die Zukunft fragt uns alle an!
Moderation: Prof. Dr. Dr. phil. Harald Walach
Ian W. Listopad
Universität Witten/Hedecke, Institut für Integrative Gesundheitsversorgung und Gesundheitsförderung
Burnout: Bin ich hier richtig oder bin ich schon krank?
Erweiterung des bio-psycho-sozialen Modells um Spiritualität und Kultur auf Basis des Burnouts bei Berufstätigen
Alyssa Torske
Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München & The Graduate School of Systemic Neurosciences der Ludwig Maximilians Universität
Der Einfluss von Achtsamkeitstraining auf das Essverhalten - Die Effektivität von Achtsamkeitstraining als Interventionsstrategie für Stress-assoziierte Fehlernährung
Anton Abbattista, B.Sc.
Deutsche Hochschule für Gesundheit und Sport
Stressreduktion durch Achtsamkeit beim Bergwandern
auf Basis der Longitudinalstudie „Stressreduktion durch Bergwandern“
M.Sc. Johannes Fendel
Wirtschaftspsychologie, Institut für Psychologie Universität Freiburg in Kooperation mit der Sektion Systemische Gesundheitsforschung, Universitätsklinikum Freiburg
Achtsamkeitsbasierte Interventionen zur Reduktion von Burnout und Stress bei Ärzt*innen - Eine systematische Übersichtsarbeit und Metaanalyse
Stephan Grünewald
rheingold institut Köln
Viele Menschen haben sich während der Corona-Krise in ihr persönliches Schneckenhaus zurückgezogen. Ihr Fokus gilt dem persönlichen Nahbereich, der eigenen Familie oder dem eigenen Selbst. Während die eigene Welt drinnen als überschaubar und bewältigbar erlebt wird, türmen sich in der Welt draußen schier unbezwingbare Problemberge auf: von der Omikron-Variante über den drohenden Klimawandel bis zum sozialen Klimawandel. Und so geraten viele in einen resignativen No-Future-Modus. Aber im Umgang mit Gleichgesinnten verspüren immer mehr Menschen auch Sicherheit und Selbstgewissheit. Aktivismus im persönlichen Nahbereich erscheint jetzt als Chance, der Aussichtslosigkeit etwas entgegenzusetzen. Zukunftsprojekte ergeben sich aus den jeweils konkreten Lebens-Sphären - pragmatisch, praktisch, ganz real und als Kontrapunkt zu den oft als leer wahrgenommenen Versprechungen des Politikbetriebes. Die Einsicht wächst, dass Teilhabe zu einem Mehr an Zufriedenheit und Gemeinschaftsgeist führt.
Mitwirkende:
Liane Stephan, Co-Geschäftsführerin und Co-Gründerin der awaris GmbH
Dr. Sonja Geiger, Wissenschaftliche Mitarbeiterin Justus-Liebig-Universität Gießen
Dr. Ulrich Ott, Psychologe und Meditations-Forscher, Bender Institute of Neuroimaging, Justus-Liebig-Universität Gießen
Moderation:
Dr. Thomas Steininger, Philosoph, Herausgeber evolve – Magazin für Bewusstsein und Kultur
Die Popularität von Achtsamkeit hat durch die Pandemie weiteren Aufwind erfahren, denn Meditation erwies sich in Zeiten der Herausforderung als starke Resilienz-Strategie. Es ist eine Wirksamkeit, die weit über das persönliche Wohlbefinden hinausdeutet, das sich durch Achtsamkeit etablieren lässt. Denn diese globale Krise zeigt auch, wie sehr unser kulturelles und gesellschaftliches Zusammenleben weltweit eines grundlegenden Wandels bedarf. Was können wir beispielsweise von Achtsamkeit erwarten, wenn wir uns Meta-Krisen wie dem Klimawandel zuwenden? Braucht es hier vielleicht einen „Inner Climate Change“? Liane Stephan von Awaris geht dieser Frage bereits mit Mitgliedern der EU-Kommission nach. Und wie steht es um unser Verständnis von Heilung? Ist Meditation mehr als eine bekömmliche Medizin in ausgewählten Therapiekontexten? Kann sie vielleicht sogar den Weg ebnen für eine neue Medizin-Kultur, die ein neues Verständnis von Gesundheit und Krankheit eröffnet? Und wie steht es um unsere persönliche Lebensgestaltung? Kann Achtsamkeit dazu beitragen, dass wir nachhaltiger konsumieren, umweltbewusster leben und Wesentliches nicht nur im Materiellen suchen? Sonja Geiger ist hier Optimistin, weiß aber durch ihre Forschungen zu Zeitwohlstand und nachhaltigen Lebensstilen auch, dass Achtsamkeit kein Selbstläufer ist, wenn es darum geht, unsere psychischen Dispositionen in der Tiefe zu transformieren.